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Vor gut 20 Jahren, am 1. Juli 2004, übernahm Andreas Schneider im schönen Hamburger Stadtteil Volksdorf die Geschäftsleitung der Residenz am Wiesenkamp – ein begehrter Wohnsitz für Seniorinnen und Senioren mit einem umfassenden Angebot von Service und Pflege. Er führt das Unternehmen mit einem festen Blick auf Stabilität und Nachhaltigkeit. Eigentlich wollte der gebürtige Brandenburger wie sein Vater Maschinenbau-Ingenieur werden: Nach dem Pflichtdienst in der Nationalen Volksarmee sollte sich ein Studium in Magdeburg anschließen. Der Studienplatz war ihm schon sicher, doch der Mauerfall in Berlin am Abend des 9. November 1989 durchkreuzt die Pläne des 19-jährigen. Für seinen lang gehegten Berufswunsch sieht er keine Perspektive mehr. Die erkennt er wenig später aber im Gesundheitswesen. Er ist offen für Neues und trifft eine weitreichende Entscheidung: In Hamburg absolviert er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und zum Diplom- Pflegewirt. Zielstrebig baut er seinen Berufsweg aus.

Heute ist der 54-jährige Geschäftsführer in allen Einrichtungen der Immanuel Albertinen Diakonie auf dem Gesundheitscampus Volksdorf – und seit Oktober 2023 auch im Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus, der größten Einheit auf dem Campus. Außerdem ist er Mit-Geschäftsführer im Diakonie Hospiz Volksdorf. Anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums hält er im nachfolgenden Interview Rückschau und spricht über seine neue Aufgabe und seine Pläne.

Sie waren 33 als Sie die Geschäftsführung der Residenz am Wiesenkamp übernahmen. Wie sieht Ihre Bilanz nach zwei Jahrzehnten aus?

Es waren gute, erfolgreiche, aber auch stürmische Jahre mit großen Herausforderungen. Denken Sie an Corona. Die Pandemie hat uns allen viel abverlangt. Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen und schließlich gestärkt aus dieser Krise herausgekommen. Weil das Fundament stimmt, das wir in den vielen Jahren gemeinsamer Arbeit geschaffen haben. Ich hatte mir von Anfang an vorgenommen, Unternehmen und Mannschaft behutsam zu entwickeln und mit den Aufgaben gemeinsam zu wachsen. Ich denke, das ist ganz gut gelungen.

Die vielen Grußworte und Glückwünsche anlässlich meines 20jährigen Jubiläums haben mich sehr berührt und mir gezeigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die Kombination von Service-Wohnen, ambulanter und stationärer Pflege unter einem Dach hat sich bewährt und ist selten in Hamburg und Umgebung. Wir haben eine sehr gute Belegungssituation und rund 200 engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer sehr hohen Fachkräfte-Quote.

Unser Weg durch Corona hat gezeigt, dass wir für Herausforderungen gut gerüstet sind und erfolgreich am Markt agieren können.

Zum 1. Oktober 2023 wurden Sie in die Geschäftsführung des Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhauses berufen. Ist es Ihnen nicht schwergefallen, die Leitung der Residenz abzugeben?

Ich freue mich sehr über meine neue Aufgabe und bin – ehrlich gesagt – auch ein bisschen stolz darauf, dass ich meiner Nachfolgerin Frau Sabine Kalkhoff ein gut bestelltes Haus mit einem hervorragenden Team übergeben konnte. Frau Kalkhoff ist eine erfahrene, kompetente Führungskraft im Bereich der stationären diakonischen Pflege, und ich bin sicher, dass sie die Residenz zusammen mit dem engagierten Führungsteam weiter auf Kurs halten wird. Im Übrigen bleibe ich ja Geschäftsführer der Residenz und bin mit Frau Kalkhoff weiter im Dialog – auch was die künftige engere Zusammenarbeit unserer verschiedenen Einrichtungen auf dem Gesundheitscampus angeht. Wir haben hier ja kurze Wege!

Andreas Schneider, Geschäftsführer des Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhauses im Gespräch

Wie haben Sie Ihr erstes Jahr in der Amalie, wie das Krankenhaus fast liebevoll genannt wird, erlebt?

Ich wurde hier sehr herzlich und offen empfangen und habe von Anfang an große Unterstützung erfahren. Viel fragen, viel zuhören und viel beobachten: Das war die Aufgabe im ersten Jahr und ist sie immer noch. Die verschiedenen Abteilungen kennenlernen, mit den Mitarbeitenden ins Gespräch kommen und vor Ort tief in die Themen einsteigen, um zu verstehen. Meine Aufgabe ist es nun, die Amalie gemeinsam mit den Führungsteams und den Mitarbeitenden weiter zu stärken und gut gerüstet in die Zukunft zu führen. Wichtig ist dabei, die Bodenhaftung nicht zu verlieren.

Bei der Weiterentwicklung unserer Fachbereiche sind die Patientenzufriedenheit und die wirtschaftliche Stabilität oberstes Gebot. Mir geht es darum, die Prozesse nachhaltig zu verstetigen und erfolgreich weiterzuentwickeln. Dazu gehört ein solides Finanzierungskonzept und immer wieder der kritische Blick auf die Basis. In diesem Zusammenhang noch ein paar Worte zu den vielen Mitarbeitenden, die tagein tagaus Menschen in herausfordernden Lebenssituationen wie Krankheit und Alter behandeln, pflegen und begleiten. Ich habe in den letzten 20 Jahren gelernt, dass Zahlen wichtig, aber nicht alles sind. In unserer Branche sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Herz jeder Einrichtung! Sie für unsere gemeinsame Aufgabe zu gewinnen und zu motivieren, ist eines meiner wichtigsten Ziele.

Wie groß ist das Versorgungsgebiet der Amalie?

Das Krankenhaus versorgt vor allem Menschen im Nordosten Hamburgs, also im bevölkerungsreichsten Hamburger Bezirk Wandsbek. Kerngebiet der Amalie sind hier die fünf Walddörfer sowie die Regionalbereiche Bramfeld und Rahlstedt. Viele Patienten kommen inzwischen auch aus dem benachbarten Landkreis Stormarn in Schleswig-Holstein zu uns – etwa aus Ahrensburg, Bargteheide, aus der Kreisstadt Bad Oldesloe und umliegenden kleineren Gemeinden. Alles in allem ein großes Einzugsgebiet, das für uns in der Amalie Auftrag und Ansporn zugleich ist.

Wie viele Patientinnen und Patienten werden jährlich versorgt?

Das Evangelische Amalie Sieveking Krankenhaus betreibt 341 vollstationäre Betten sowie 20 teilstationäre Behandlungsplätze und versorgt rund 37.000 stationäre und ambulante Patienten im Jahr. Die Zentrale Notaufnahme ist rund um die Uhr geöffnet und immer wieder auch eine lebensrettende Anlaufstelle für Menschen in gesundheitlichen Notsituationen.

Übrigens sind alle unsere Angebote auf dem Gesundheitscampus Volksdorf sehr gut nachgefragt mit einer bis zu 100-prozentigen Auslastung. Insgesamt versorgen wir hier tagtäglich über 800 Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Das ist im Arbeitsalltag immer wieder eine große Herausforderung.

Andreas Schneider

Wo liegen die medizinischen Schwerpunkte und Erfolge der Amalie?

Mit wachsenden Anforderungen leisten unsere Abteilungen eine zunehmend spezialisierte Versorgung, teilweise mit beachtlicher Strahlkraft über unser Einzugsgebiet hinaus. Lassen Sie mich einige Beispiele aus unseren insgesamt erfolgreich arbeitenden Fachkliniken herausgreifen. Ein Schwerpunkt ist nach wie vor unsere Geburtshilfe mit rund 1.200 Geburten im Jahr. Die Amalie ist gemäß WHO / UNICEF als „Babyfreundliches Krankenhaus“ zertifiziert und steht neben seiner hohen Qualität auch für die längste Tradition von spezialisierten Abteilungen in unserem Krankenhaus: In den Walddörfern wird man seit Generationen in der Amalie geboren. In der Gynäkologie haben wir uns bei der Behandlung onkologischer Erkrankungen – hier insbesondere des Brustkrebses – neu aufgestellt.

Unsere Kardiologie ist Teil des mehrfach ausgezeichneten Albertinen Herz- und Gefäßzentrums und findet hamburgweite Beachtung, insbesondere mit Katheter-Eingriffen an hochmodernen, digitalen und während meiner Amtszeit neu eröffneten Herzkatheterbehandlungsplätzen sowie in der Herzschrittmacher-Versorgung.

Unser Zentrum für Endokrine Chirurgie hat sich einen hervorragenden überregionalen Ruf mit Eingriffen an der Schilddrüse, Nebenschilddrüse und Nebenniere durch spezialisierte Chirurginnen und Chirurgen erarbeitet.

Eine führende Rolle in Norddeutschland hat das Amalie Pouch Zentrum Hamburg, das auf plastisch-rekonstruktive Operationen am Darm-Trakt für Patientinnen und Patienten mit Stuhlinkontinenz insbesondere bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie z. B. dem sog. Morbus Crohn spezialisiert ist. Zu Ihrem Verständnis: Bei der genannten Operationsmethode wird ein Beutel – also ein Pouch – aus Darm im Körper konstruiert, um entfernte Organe zu ersetzen. Die Chirurgie im Amalie hat weitere Schwerpunkte, unter anderem in der Koloproktologie. Die medikamentöse, endoskopische oder operative Behandlung gerade von entzündlichen Darmerkrankungen und von Tumoren des Verdauungstrakts erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie und der Klinik für Chirurgie. Die Festlegung der Therapie von Tumorerkrankungen erfolgt dabei auf der Basis aktueller Evidenz in der hochfrequentierten interdisziplinären Tumorkonferenz unseres Hauses, das Kooperationspartner des Universitären Cancer Centers Hamburg ist.

Unsere Unfall-Chirurgie und Orthopädie hat sich neben der Endoprothetik, unter anderem mit Eingriffen bei Schenkelhals-Frakturen, einen guten Namen gemacht und hat passend zur Versorgungsstruktur des Campus aber auch der umliegenden Stadtteile mit vielen Altersheimen einen alterstraumatologischen Schwerpunkt.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet unsere Wirbelsäulenmedizin als Teil des standortübergreifenden Albertinen Wirbelsäulenzentrums.

Noch ein Blick auf die Altersmedizin, die immer mehr an Bedeutung gewinnt: Unser Fachbereich Geriatrie und Physikalische Therapie ist auf die Behandlung älterer Menschen ambulant und stationär ausgerichtet und bietet durch die Möglichkeit einer auf die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten im Alter ausgerichteten Medizin die schnellere Rückkehr nach Hause oder in eine geeignete Pflegestruktur. Durch Kooperationen mit dem St. Adolf Stift in Reinbek und dem Bundeswehrkrankenhaus ohne eine heute vorgeschriebene Geriatrie-Abteilung, sichert die Amalie durch Übernahme von Patientinnen und Patienten deren Möglichkeit der heimatnahen alterstraumatologischen Versorgung in diesen Kliniken ab. Oftmals können so längere stationäre Aufenthalte verkürzt oder sogar vermieden werden.

Bleibt zu erwähnen, dass wir mit einer leistungsstarken Intensivmedizin und Anästhesie, dem standortübergreifenden Albertinen Zentrum für Radiologie sowie der interdisziplinären Notaufnahme sehr gut aufgestellt sind. Im Übrigen ist das Evangelische Amalie Sieveking Krankenhaus Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg.

Wir werden unseren eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen – Stabilität und Wirtschaftlichkeit dabei immer fest im Blick. Trotz der aktuell großen Herausforderungen für alle Krankenhäuser blicke ich für die Amalie positiv in die Zukunft. Dabei setze ich auch auf eine noch engere Verzahnung ambulanter und stationärer Leistungen im Verbund mit unseren Kooperationspartnern.

Welche Themen und Projekte liegen derzeit und bis auf weiteres ganz oben auf Ihrer Agenda?

Andreas Schneider, Geschäftsführer des Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhauses im Gespräch

Das sind drei Punkte: Krankenhausreform, Fachkräftemangel und Digitalisierung.Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist ein gewaltiger Kraftakt und nichts für schwache Nerven! Sie wird uns noch lange beschäftigen. Dem Dauerthema Fachkräftemangel begegnen wir recht erfolgreich mit der Ausbildung eigener Fachkräfte.

Mit 156 Ausbildungsplätzen in sieben Berufen ist die Amalie ein großer Ausbilderin der Region. 75 Plätze dienen allein der Ausbildung von Pflegefachkräften. Dabei freuen wir uns über ein zunehmendes Interesse am Pflegeberuf. Aber wir müssen uns weiter anstrengen, zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen. Wohnungen und Appartements für Mitarbeitende und Auszubildende sowie unsere Kindertagesstätte auf dem Campus sind dabei hilfreich.

Im Bereich Digitalisierung müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, um die Krankenhausprozesse rund um die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern.

Das Evangelische Amalie Sieveking Krankenhaus ist ein bedeutender Teil des Gesundheitscampus Volksdorf. Welche Rolle spielt der Campus in der Region?

Der Gesundheitscampus Volksdorf ist mit seinem medizinisch-pflegerischen und therapeutischen Auftrag eines der größten Gesundheitszentren dieser Art in Hamburg und ein bedeutender Arbeitgeber und Ausbilder – mit Krankenhaus, Seniorenresidenz, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätte, Hospiz, dem Walddörfer Therapiezentrum mit hochqualifizierten Facharztpraxen unterschiedlicher Disziplinen, einem ambulanten Reha-Zentrum und Pflegedienst.

In diesem Jahr haben Sie ein großes Sommerfest auf dem Campus initiiert. Ein Fest mit Signalwirkung?

So könnte man das sagen. Sich kennenlernen und miteinander ins Gespräch kommen über Einrichtungsgrenzen hinweg – das war die Idee zu diesem ersten gemeinsamen Sommerfest für die über 1.000 Mitarbeitenden in den fünf Einrichtungen der Immanuel Albertinen Diakonie auf dem Campus. Dahinter steht eine Botschaft mit Ausrufungszeichen:

Wir sind hier gemeinsam unterwegs!

Andreas Schneider

Unser Fest war ein voller Erfolg, über den ich mich sehr freue. Inzwischen gibt es vielversprechende Ideen zur gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit. Ausbildung, Qualitätsmanagement, Sozialdienst sind gute Beispiele. Es ist mein besonderes Anliegen, diesen Weg konsequent weiter zu verfolgen, um unsere Potentiale voll ausschöpfen zu können – im Sinne der Menschen, die zu uns kommen, und im Sinne eines verantwortlichen Handelns mit den Mitarbeitenden und unseren wirtschaftlichen Ressourcen.

Als Geschäftsführer verschiedener Einrichtungen haben Sie viel Verantwortung. Was treibt Sie an?

Etwas zu gestalten und nachhaltig zu entwickeln, ist und bleibt für mich eine reizvolle und spannende Aufgabe. Die gibt es bei uns auf dem Campus reichlich. Ich freue mich, in verantwortlicher Position meinen Beitrag für eine erfolgreiche Zukunft der mir anvertrauten Gesellschaften leisten zu können – auch wenn es mal stürmt und unbequem wird. Ich möchte, dass Mitarbeitende gern bei uns tätig sind und dass Menschen in herausfordernden Lebenssituationen bei uns gut aufgehoben sind!

Die Rundschau-Redaktion dankt für das Interview.

Ein Interview aus der Rundschau Nr. 135 - Winter 2024/2025